Inklusion steht unter Beschuss. In letzter Zeit häufen sich die Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge und Blogs, die sich deutlich negativ mit dem Thema auseinandersetzen. 2009 hat die Bundesrepublik die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, seit 2014 haben alle Kinder das Recht an einer Regelschule unterrichtet zu werden. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei diesem Thema so weit auseinander, wie sonst kaum irgendwo.
In der Diskussion um Inklusion stehen sich die Lager von Anfang an unversöhnlich gegenüber. Ein Wunder, dass das Thema so lange von der Agenda verschwunden war. Denn schließlich geht es um das Wichtigste: um unsere Kinder und ihre Bildung – also um unser aller Zukunft.
Ideologie oder Menschenrecht?
Ideologie nennen es die einen, Menschenrecht die anderen. Doch die Thematik ist zu komplex, um es darauf zu reduzieren. Der Grundgedanke der Inklusion, wie UN und EU fordern, ist nicht verkehrt: Alle Menschen sind gleich viel wert, jedes Kind hat Stärken und Schwächen. Deshalb sollen alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Es geht in der reinen Lehre nicht darum, Kinder mit Behinderung auf Biegen und Brechen mit nicht-behinderten Kindern zusammenzubringen. Es geht darum, in den Köpfen aller die Unterscheidung zwischen der einen und der anderen Gruppe aufzuheben.
Einig sind sich alle darin: Kinder mit Behinderung sollen dieselben Chancen bekommen, wie alle anderen Kinder auch. Deshalb, so die Idee der schulischen Inklusion, sollen sie nicht von vornherein „aussortiert“ werden. In Deutschland gab es ein hoch spezialisiertes System aus Förderschulen, sieben verschiedene Förderschwerpunkte gibt es. Die Förderschulen mit ihrem spezialisierten Personal und ihrer passgenauen Ausstattung sollten ursprünglich jedem Kind genau die Förderung ermöglichen, die es braucht. Durch die Inklusion gilt es nun, diese spezielle Förderung an jeder Regelschule anzubieten. Eine wahre Mammutaufgabe.
Diskussion neu entbrannt
Dass es große Probleme bei der Bewältigung dieser Mammutaufgabe gibt, wird nun wieder öffentlich diskutiert. Ein Auslöser dieser Debatte war der Dokumentarfilm „Ich. Du. Inklusion“ von Regisseur Thomas Binn (wir berichteten). Zahlreiche Zeitungen nahmen den Film zum Anlass, um die angeblichen Fortschritte bei der Inklusion kritisch zu reflektieren. Die Süddeutsche Zeitung zitiert den Filmemacher: „Die politische Umsetzung der Inklusion ist eine Vollkatastrophe.“ Die Welt schreibt: „So, wie die Integration derzeit organisiert wird, ist sie zum Scheitern verurteilt.“
Ein weiterer Anlass für die Diskussion war die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Mit einem allzu offensiven Vorgehen bei der Umsetzung der Inklusion hat die grüne Bildungsministerin den Unmut der Bevölkerung auf sich gezogen. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap gaben 29 Prozent an, dass die Bildungspolitik das wichtigste Thema gewesen sei, wie die Welt berichtet.
Während die Kultusministerien stolz die neuen Inklusionsquoten präsentieren, gehen die Lehrerverbände auf die Barrikaden. 1.000 neue Stellen wären aus Sicht der GEW „ein erster Schritt.“ Die Hannoversche Allgemeine Zeitung titelt sogar: „Eltern und Lehrer fordern Pause bei der Inklusion.“ In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. Mai kommentiert Heike Schmoll: „Allein durch stärkere Toleranz und gutgemeinte Integration lassen sich die Probleme dieser Kinder nicht lösen […] Was wohlgemeint daherkommt, widerspricht viel zu oft dem Kindeswohl.“
„Ich bin wütend“, schreibt Julia Jatscha als Reaktion auf solche Berichterstattungen. Jatscha ist Mutter zweier Kinder, über ihre Tochter schreibt sie in der ZEIT-Kolumne „10 nach 8“ sehr persönlich:
„Wo auch immer ich im gesellschaftlichen Leben mit meiner heute vierzehnjährigen Tochter erscheine, stehen wir im Mittelpunkt. Weil Lotte im Rollstuhl sitzt, sie besser schreien als sprechen kann, ihre Arme häufig haltlos durch die Luft rudern oder ihr Spucke aus dem Mund tropft. Ganz normal, denke ich, denkt auch Lottes jüngerer Bruder. Wir kennen es nicht mehr anders. Und vor allem wissen wir um Lottes Talente. Sie kann tanzen, sodass jede Körperzelle den Rhythmus der Musik mitwippt. Sie hat Humor. Ihr Lachen ist ansteckend. Und ganz nebenbei kann sie auch lesen, rechnen und schreiben. Aber nur, wenn sie will und die richtige Person neben ihr sitzt.“
Latscha sagt ganz klar: Ja, es gibt Probleme. Es gibt zu wenig Ressourcen, zu wenig qualifiziertes Personal. Doch genau so klar ist für sie: Inklusion ist ein Menschenrecht. Inklusion ist eine Frage der Haltung. Wenn wir das wollen, dann bekommen wir das auch hin.
Wir machen Inklusion möglich!
Inklusion gelingt vor allem vor Ort. Auch die Stiftung HELP trägt ein Stück weit dazu bei. Zum Beispiel durch unsere Schulassistenz: Die Stiftung HELP führt seit der Gründung Eingliederungshilfen für seelisch behinderte bzw. von einer seelischen Behinderung bedrohte junge Menschen gem. § 35a SGB VIII in Form von Schulassistenzen durch. Die Schulassistenz unterstützt die Schüler im schulischen Lebens- und Lernumfeld.
Oder auch mit dem Sozialtraining „Starke Kinder“: Mit dem Sozialtraining „Starke Kinder“ hat die Stiftung HELP ein Angebot für Schulen und Kindergärten geschaffen, das dem wachsenden Bedarf an sozialpädagogischer Begleitung von Kindern an Bildungseinrichtungen nachkommt.